Ängste näher betrachtet
Die Angst schützt uns, wenn es gefährlich wird.
Macht sie sich aber selbständig, kann sie zur Belastung werden.
Sind Ängste eigentlich normal?
Aus Sicht der Evolution sind Ängste nicht nur normal, sondern sogar notwendig für das (Über-)Leben.
Die Angst will uns beschützen, wenn wir in einem Fluss voller Krokodile schwimmen wollen, auf der Autobahn spazieren gehen oder finanziell etwas riskieren.
Gesunde Angst hat viele Vorteile und nichts Böses im Sinn.
In grauer Vorzeit musste in Angstsituationen das Stammhirn sekundenschnelle Entscheidungen treffen, ohne erst das träge Denken einzuschalten.
Kämpfen, Flüchten oder Totstellen?
Diese drei Auswahlmöglichkeiten hatte das urzeitliche Gehirn, wenn der Säbelzahntiger auftauchte.
Das wirkt bis in die moderne Welt nach.
Eine Auswahl moderner Ängste
Angst zu versagen, vor Überforderung, Kritik oder Bestrafung
Angst vor Entscheidungen, Verlusten, Krankheit, Verletzung oder Krieg
Angst in bestimmten Lebenssituationen, oft ohne erkennbaren Auslöser
Angst vor Kontakt mit anderen Menschen
Soziale Phobie
Angst, eine belastende Erfahrung noch einmal zu erleben
Was ist eine gesunde Angstreaktion?
Wie nützliche Angst aussieht, kann man bei Tieren ganz gut beobachten.
Jeder kennt Tierfilme. Wenn eine Springbockherde von Löwen attackiert wird, rennen alle panisch auseinander. Der ein oder andere wird gefressen.
Ist die Gefahr vorbei, grasen die Tiere einfach weiter, als ob nichts geschehen wäre.
Die Tiere sind nicht arglos, können sich aber schnell wieder beruhigen und leben dann unbeschwert weiter, obwohl doch überall große Gefahren lauern.
Man könnte sagen, Springböcke nehmen es leicht und brauchen keinen Therapeuten.
Die Angst im modernen Leben
Auch wir Menschen könnten uns sofort beruhigen, wenn eine Gefahr vorüber ist.
In gewisser Weise stehen uns aber unser Denken und unsere Erfahrungen im Weg.
Oder unsere Angst hat sich schon verselbständigt.
Angreifende Löwen sind heutzutage wohl unwahrscheinlich.
Dafür wir haben cholerische Chefs, klamme Finanzen, Sorgen um die Familie oder gesundheitliche Probleme.
Da ist die Angst vor einer Prüfung, vor Flugzeugen oder Spinnen. Oder die Angst vor anderen Menschen und Kontakt.
Unser urzeitliches Stammhirn übernimmt gegen jede Vernunft manchmal die Macht.
Kämpfen, Flüchten oder Totstellen? Im modernen Leben heißt das zum Beispiel: Den Chef anschreien, vor Konfrontationen zurückweichen oder einfach die Post nicht öffnen.
Kennen Sie Ihre bevorzugte Reaktion auf einen Angstauslöser?
Wer ist von Ängsten betroffen
Jeder Mensch hat sein persönliches Angstniveau, das er aushalten kann.
Gleiche Auslöser sind nicht für jeden gleich belastend. Das liegt an der individuellen Konstitution und an persönlichen Erfahrungen.
Frauen neigen bei Angst eher zum Rückzug, Männer zum Kampf oder zum Verdrängen.
Einen angstfreien Menschen gibt es aber sicher nicht.
Wann werden Ängste krankhaft?
Psychische Beschwerden und Erkrankungen im Zusammenhang mit Ängsten gehören zu den häufigsten Beeinträchtigungen des Wohlbefindens.
In Deutschland sind 2 – 3 Millionen Menschen von einer Angststörung betroffen.
Der Übergang von normaler Angst zu krankhafter Angst ist fließend.
Es gibt dabei Parameter, um zu entscheiden ob eine Angst schon krankhaften Charakter angenommen hat:
- krankhafte Angst ist intensiver und oft nicht mehr steuerbar.
- eigentlich harmlose und für die meisten Menschen ungefährliche Auslöser führen zu starken Angstreaktionen.
- es gibt eine Tendenz der Generalisierung, also Ausweitung der Angst. Die Angst kann die Macht übernehmen.
- nimmt die Angst überhand und die Bewältigung des Alltags ist nur noch eingeschränkt möglich, entwickelt der Mensch ein Vermeidungsverhalten. Er hat quasi Angst vor der Angst.
Bekannte Angststörungen
Die Generalisierte Angststörung
Betroffene sind an den meisten Tagen über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten über viele verschiedene Dinge verängstigt und besorgt.
Die Soziale Phobie
Betroffene haben starke Angst davor, kritisiert, bloßgestellt oder erniedrigt zu werden. Diese Angst bezieht sich auch auf alltägliche Situationen, wie in der Öffentlichkeit zu sprechen oder zu essen, sich bei der Arbeit durchzusetzen oder auch Smalltalk zu machen.
Die Panikstörung
Eine Person erfährt Panikattacken mit intensiven, oft unkontrollierbaren Angstgefühlen, die mit körperlichen Symptomen einhergehen können. Es kommt zu Atemnot, Schmerzen in der Brust, Schwindel und übermäßigem Schwitzen. Das kann so erlebt werden, als hätte man eine Herzattacke oder würde sterben.
Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
Menschen, die ein traumatisches Ereignis erlebt haben (zum Beispiel Krieg, Unfall, oder wenn sie Opfer eines Verbrechens wurden) reagieren mit unterschiedlicher zeitlicher Verzögerung mit intensiven Veränderungen im Denken, Fühlen und Handeln.
Ängste blockieren uns und unsere Lebensfreude
Akute Ängste hindern uns Menschen oft daran zu erkennen, welche anderen und vielleicht besseren Lösungen es noch gibt.
Ängste können das logische Denken ausschalten. Wir bekommen einen Tunnelblick und können uns nicht mehr frei entscheiden.
Verfestigen sich die Ängste, wird unser Leben freud- und ziellos.
Ein Springbock kann nur wegrennen und das ist für ihn absolut passend. Für uns Menschen sollte es aber noch andere Möglichkeiten geben.
Es stellt sich die Frage: Sind unsere Ängste überhaupt real? Treten die Ereignisse, vor denen wir uns fürchten, überhaupt ein?
„Der Ängstliche ist auf dem Auge der Schönheit blind.“
Was unternehmen Menschen von sich aus, um Ängste zu verringern

Entspannungstechniken, Meditation oder Sport sind gut geeignet in Situationen der Angst wieder zurück zur Ausgeglichenheit zu finden. Yoga wirkt ebenso beruhigend.
Diese Übungen können unterstützend bei der Behandlung von Ängsten wirken und das Anschauen der Angst in der Therapie erst möglich machen. Sie sind daher immer zu befürworten.

Viele Angststörungen werden leider nicht als solche erkannt und infolge dessen nur auf der körperlichen Ebene mit Hilfe von beruhigenden Medikamenten behandelt. Nicht selten bleibt es auch dabei.
Eine akute medikamentöse Behandlung durch einen Arzt kann aber angezeigt sein, wenn die Angst überhandnimmt. Sie sollte nicht auf Dauer angelegt sein und regelmäßig überprüft werden.

Eine besondere Form der „Behandlung“ ist der Einsatz von starken Beruhigungs- oder Rauschmitteln.
Oft endet eine Angststörung im Alkohol-, Medikamenten-, oder sonstigen Suchtmittelmissbrauch.
Alkohol und starke Beruhigungsmittel können aber auch den gegenteiligen Effekt haben und selbst Ängste hervorrufen. Das ist gerade beim Versuch, diese Mittel zu reduzieren oder wieder abzusetzen, der Fall.
Man muss sich im Klaren sein, dass diese Formen der Eigentherapie die Symptome der Angst lindern können, aber nicht die eigentlichen Ursachen angehen. Insbesondere Medikamente und Suchtmittel sind auf Dauer denkbar schlechte Heilmittel.
Wann bedarf es einer Therapie von Ängsten
Wenn die empfundene Angst in einem Missverhältnis zu einer realen oder möglichen Bedrohung steht und sich typische mit der Angst verbundene Verhaltensweisen oder Störungen zeigen, ist eine Therapie angesagt.
Das können Zwänge, Phobien, Perfektionismus oder Grübeln sein. Oft zeigt sich ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten.
Depressionen gehen häufig mit Angststörungen einher. Auf körperlicher Ebene äußern sich Ängste auch oft mit Symptomen wie Herzrasen, Zittern oder Atemnot.
Besteht oder hat sich aus der Angststörung heraus eine körperliche oder psychische Suchterkrankung entwickelt, ist ebenfalls eine Therapie angesagt.
Wie wird Angst normalerweise behandelt
Üblicherweise, versucht man mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen einen entspannten Umgang mit der Angst zu lernen. Es geht darum die automatische Angstreaktion auf den auslösenden Reiz in ihrer Stärke zu verringern, den Patienten zu stabilisieren und andere Auswege zu etablieren.
Mittels Gesprächstherapie geht man zusätzlich den eigentlichen Ursachen der Angst auf den Grund.
Einen Schritt weiter denken: Die wahren Ursachen der Ängste finden
Die wahren Ursachen finden
Oft sind die Herausforderungen des modernen Lebens aber nur ein Auslöser und die eigentlichen Ängste sitzen viel tiefer.
Schwieriger wird es, die wahren Ursachen unserer Ängste zu finden, wenn diese im Dunkeln des Unterbewusstseins liegen.
Möglicherweise haben sie ihren Ursprung in früher Kindheit, sind längst vergessen, wurden verdrängt oder sind mit unserem heutigen, erwachsenen Verständnis betrachtet einfach zu banal.
Das Unterbewusstsein vergisst aber nichts.
Mögliche Ursprünge von Ängsten
Starke Angstreize in der Kindheit, die möglicherweise schon verdrängt sind
Erziehung und Veranlagung
Belastende, plötzliche Lebensereignisse
Lang andauernde Stressbelastung
Die Folge von körperlichen Erkrankungen oder Süchten
Die Angst ist oft eine erlernte Reaktion auf etwas, das zu einem anderen Zeitpunkt nicht aushaltbar war.
Die wahren und oft unterbewussten Ursachen von Ängsten zu finden
ist ohne Hilfe von außen sehr schwer bis unmöglich.
Auf Dauer ist es besser, die wahren Ursachen der Angststörung zu ergründen
Jeder Mensch ist naturgemäß „betriebsblind“ für seine eigene Situation.
Es ist quasi unmöglich, die wirklichen Ursachen ohne einen Blick von außen zu erkennen.
Psychotherapie bietet den Blick von außen und kann die Freude zurückzubringen.
Sind körperliche Ursachen der Grund?
Parallel zu einer psychotherapeutischen Behandlung kann es angesagt sein, möglich körperliche Ursachen von Ängsten ärztlich abklären zu lassen.
So können Herzerkrankungen oder Erkrankungen der Atemwege und einige andere Erkrankungen mit Ängsten einhergehen.
Auch Medikamente können Ängste als Nebenwirkung verursachen oder verstärken.
Was bedeutet es, mit der Angst umgehen zu können
Das Ziel einer Angsttherapie muss es sein, wieder zurück zu einem glücklichen und unbeschwerten Leben zu finden.
Völlige Angstfreiheit ist eine Illusion und auch nicht wünschenswert.
Das wäre höchstens ein Ziel für einen Perfektionisten.
Aber das ist dann schon wieder ein anderes Thema.
Das Ziel meiner Angstbehandlung
Bei Angststörungen sehe ich es als Ziel an, gemeinsam mit Ihnen die Ursachen zu erforschen, um Ihnen mittelfristig wieder zu persönlicher Freiheit zu verhelfen. Selbstverständlich ist das erst möglich, wenn eine Einordnung der Angst erfolgt ist und ein bestimmter Level der Stabilisierung erreicht ist.
Es geht mir aber nicht darum, salopp gesagt, „Sahne über die Angst zu gießen“, sondern die Ängste wirklich zu überwinden.
Und zwar gerade nicht mit Ratschlägen wie: „Machen Sie doch mal…“
Es geht darum, die Auslöser und die in Angstsituationen auftretenden Gefühle wahrzunehmen und zu lokalisieren und sie dann mit Unterstützung zu durchleben, damit die Angst verabschiedet werden kann und Sie…
+ sich wieder frei entscheiden zu können
+ wachsen und irgendwann das Goldfischglas ganz verlassen können
+ sich die Angst zum Verbündeten machen und als Energie nutzen können
+ sich Unterstützung in ihrem Umfeld oder bei inneren Helfern holen können
+ schrittweise Begrenzungen abstreifen und wieder Freude haben
Angst bringt uns nicht um. Sie ist eine Energie, die wir zulassen können. Dann strömt sie durch uns hindurch und zieht weiter.
Mut ist die Bereitschaft, die Angst zu fühlen und trotzdem weiterzugehen.